Schengenrouting = Zensur + Stasi + Monopol

Zum Thema Schengen gibt es offensichtlich einige Unklarheiten, was dies technisch und politisch bedeutet. Daher möchte ich auf einige Punkte, die mir bisher nicht klar genug herausgearbeitet zu sein scheinen, eingehen:

Versuch der Monopolbildung bzw. -erhaltung seitens der Deutschen Telekom

Die Behauptung ist, daß dieses Schengenrouting die in vielen Bereichen noch monopolartige Position der Telekom zementieren würde. Ich teile diese Ansicht. Der Mechanismus dazu sieht für mich wie folgt aus:

  1. Kleiner Wettbewerber X möchte (muß) Daten ins Telekomnetz schicken, weil er die Geschäftskunden und die Telekom die Verbraucher, die die Webseiten seiner Kunden ansehen wollen, hat.
  2. Da die Daten nicht mehr "irgendwo" entlangeroutet werden dürfen, muß der Übergang also neuerdings im Schengenraum liegen.
  3. Im Schengenraum hat die Telekom allerdings kartellartige Möglichkeiten, den kostenfreien Datentransport zu unterbinden, und dadurch X dazu zu zwingen, einen solchen Übergang zum Telekomnetz dort zu Freudenhauspreisen zu kaufen. Die Telekom dient hier nur als prominentes Beispiel für die Verweigerungsfront der wenigen Netzanbieter.

Bisher konnte der seine Daten dann notfalls über die USA, Rußland, Japan oder sonstwohin schicken, bis sie irgendwann im Telekom-Netz ankamen, weil die Telekom dort mit anderen ISPs verbunden ist. Diese Möglichkeit soll jetzt per Gesetz unterbunden werden.

Ein Schengen-Netz ermöglicht eine stark vereinfachte Überwachung und Zensur

Die Datenströme würden in einem Schengen-Netz auf deutlich weniger unterschiedlichen Bahnen als bisher fließen und nicht "heimlich" den Schengenraum verlassen dürfen, und wären daher leichter vollständig erfaß- und zusammenführbar. Außerdem bedingt die Konstruktion, daß die Routingentscheidung nun entlang geographischer Grenzen getroffen werden soll, daß man (a) herausfindet, ob die Daten den Schengenraum verlassen dürfen, was (b) eine massive zusätzliche Netzüberwachung und die Etablierung entsprechender Kontrollmöglichkeiten zur Folge hat. Meiner Einschätzung nach läßt sich die bisher geforderte Kontrolle nicht ohne den flächendeckenden Einsatz von DPI realisieren, eine Technik, die in der Vergangenheit bei anderen Anwendern wie eben dem Iran, aber auch Rußland oder China, immer auf das Heftigste kritisiert wurde.

Die teilweise angesprochene Möglichkeit, Datenverkehr mit Zoll zu beaufschlagen, ergibt sich quasi als Nebeneffekt.

Zusammenfassung und Bewertung

Ein solches "Schengen-Routing" hätte zwangsläufig technische Änderungen am Internet zur Folge, die ähnliche Kontrollmechanismen wie etwa im Iran etablieren würden. Diese wecken nach aller bisherigen Erfahrung auch entsprechende Begehrlichkeiten und laden zu Mißbrauch geradezu ein. Unter wirtschaftlichen Aspekten ist aus meiner Sicht offenkundig, daß die genannten kleineren Anbieter dann keine Chance mehr haben, einer Telekom-Zwangsabgabe in erheblicher Höhe - die Preise beginnen hier bei einigen Tausend Euro pro Monat - zu entgehen, was für viele das Aus bedeuten würde. Das Aus würde schon vorher dadurch kommen, daß die besagten Geschäftskunden von vorneherein einen Bogen um die genannten kleinen Anbieter machen würden, weil sie befürchten müßten, daß sie ihre Zielgruppe nicht mehr erreichen.

Wer Wettbewerb will, sollte sich für einen funktionierenden Markt stark machen, und wer stattdessen ein Monopol will, soll das bitteschön ebenfalls klar sagen.

Die Politik sollte es sich sehr gut überlegen, ob sie wirklich dahingehend Gesetze erlassen will, wenn wenigstens einer der Punkte Wettbewerb, Datenschutz oder Vertragsfreiheit mehr als eine reine Worthülse sein soll.

Für generelle weitergehende Informationen zu derartigen Themen empfehle ich ein Besuch beim CCC.

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