Notebook (Posts about Routing)/categories/routing.atom2019-05-05T21:20:57ZToni MüllerNikolaSchengenrouting = Zensur + Stasi + Monopol/posts/schengenrouting_zensur_stasi_monopol/2013-11-20T14:03:00+01:002013-11-20T14:03:00+01:00Toni Mueller<div><p>Zum Thema Schengen gibt es offensichtlich einige Unklarheiten, was
dies technisch und politisch bedeutet. Daher möchte ich auf einige
Punkte, die mir bisher nicht klar genug herausgearbeitet zu sein
scheinen, eingehen:</p>
<h3>Versuch der Monopolbildung bzw. -erhaltung seitens der Deutschen Telekom</h3>
<p>Die Behauptung ist, daß dieses Schengenrouting die in vielen Bereichen
noch monopolartige Position der Telekom zementieren würde. Ich teile
diese Ansicht. Der Mechanismus dazu sieht für mich wie folgt aus:</p>
<ol>
<li>Kleiner Wettbewerber X möchte (muß) Daten ins Telekomnetz
schicken, weil er die Geschäftskunden und die Telekom die
Verbraucher, die die Webseiten seiner Kunden ansehen wollen, hat.</li>
<li>Da die Daten nicht mehr "irgendwo" entlangeroutet werden dürfen,
muß der Übergang also neuerdings im Schengenraum liegen.</li>
<li>Im Schengenraum hat die Telekom allerdings kartellartige
Möglichkeiten, den kostenfreien Datentransport zu unterbinden, und
dadurch X dazu zu zwingen, einen solchen Übergang zum Telekomnetz
dort zu Freudenhauspreisen zu kaufen. Die Telekom dient hier nur
als prominentes Beispiel für die Verweigerungsfront der wenigen
Netzanbieter.</li>
</ol>
<p>Bisher konnte der seine Daten dann notfalls über die USA, Rußland,
Japan oder sonstwohin schicken, bis sie irgendwann im Telekom-Netz
ankamen, weil die Telekom dort mit <em>anderen</em> ISPs verbunden ist. Diese
Möglichkeit soll jetzt per Gesetz unterbunden werden.</p>
<h3>Ein Schengen-Netz ermöglicht eine stark vereinfachte Überwachung und Zensur</h3>
<p>Die Datenströme würden in einem Schengen-Netz auf deutlich weniger
unterschiedlichen Bahnen als bisher fließen und nicht "heimlich" den
Schengenraum verlassen dürfen, und wären daher leichter
<strong>vollständig</strong> erfaß- und zusammenführbar. Außerdem bedingt die
Konstruktion, daß die Routingentscheidung nun entlang geographischer
Grenzen getroffen werden soll, daß man (a) herausfindet, ob die Daten
den Schengenraum verlassen dürfen, was (b) eine massive zusätzliche
Netzüberwachung und die Etablierung entsprechender
Kontrollmöglichkeiten zur Folge hat. Meiner Einschätzung nach läßt
sich die bisher geforderte Kontrolle nicht ohne den flächendeckenden
Einsatz von <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Deep_Packet_Inspection">DPI</a>
realisieren, eine Technik, die in der Vergangenheit bei anderen
Anwendern wie eben dem Iran, aber auch Rußland oder China, immer auf
das Heftigste kritisiert wurde.</p>
<p>Die teilweise angesprochene Möglichkeit, Datenverkehr mit Zoll zu
beaufschlagen, ergibt sich quasi als Nebeneffekt.</p>
<h3>Zusammenfassung und Bewertung</h3>
<p>Ein solches "Schengen-Routing" hätte zwangsläufig technische
Änderungen am Internet zur Folge, die ähnliche Kontrollmechanismen wie
etwa im Iran etablieren würden. Diese wecken nach aller bisherigen
Erfahrung auch entsprechende Begehrlichkeiten und laden zu Mißbrauch
geradezu ein. Unter wirtschaftlichen Aspekten ist aus meiner Sicht
offenkundig, daß die genannten kleineren Anbieter dann keine Chance
mehr haben, einer Telekom-Zwangsabgabe in erheblicher Höhe - die
Preise beginnen hier bei einigen Tausend Euro pro Monat - zu entgehen,
was für viele das Aus bedeuten würde. Das Aus würde schon vorher
dadurch kommen, daß die besagten Geschäftskunden von vorneherein einen
Bogen um die genannten kleinen Anbieter machen würden, weil sie
befürchten müßten, daß sie ihre Zielgruppe nicht mehr erreichen.</p>
<p>Wer Wettbewerb will, sollte sich für einen funktionierenden Markt
stark machen, und wer stattdessen ein Monopol will, soll das
bitteschön ebenfalls klar sagen.</p>
<p>Die Politik sollte es sich <strong>sehr</strong> gut überlegen, ob sie wirklich
dahingehend Gesetze erlassen will, wenn wenigstens einer der Punkte
Wettbewerb, Datenschutz oder Vertragsfreiheit mehr als eine reine
Worthülse sein soll.</p>
<p>Für generelle weitergehende Informationen zu derartigen Themen
empfehle ich ein Besuch beim <a href="http://www.ccc.de">CCC</a>.</p></div>